Morz in Ireland

Aufgrund des vielfachen Interesses an meinen Reiseberichten (da freut er sich) hier ein nachträglich gebasteltes Weblog zum nochmal genau nachlesen. Viel Spaß dabei und hoffentlich sieht man sich bald mal wieder....

02 Juli 2006

Reisebericht, der Trip in die Berge

Hallo Freunde,

ist schon laenger her, seitdem ich euch geschrieben habe. Mmmh, hab ich euch schon vom letzten Wochenende erzaehlt? Ich glaub nicht. Also: Als designierter Wochenendentertainer fuer Praktikanten wollte ich mir mal zum Test (uns auch aus Interesse) ein kleines Wochenendprogramm ausdenken. Zu meinem Glueck hatten auch alle in Dublin befindlichen Prakties Lust mitzumachen (es kam sogar einer aus Limerick!). Los gings am Freitag mit Ceíli. Ceíli ist ein traditioneller irischer Tanzabend (man denke bitte etwa an Riverdance, um ne Vorstellung zu bekommen) und zum mitmachen gedacht. Also alle auf die Buehne/Tanzflaeche und erst links rums gedreht, dann rechts rum, dann wechseln die Frauen ueber kreuz, dann die Maenner, die hatten das aber nicht verstanden und wechselten zur naechstbesten gut aussehenden Frau, die Frauen tun den Maennern gleich und der ganze bienenstockaehnliche Tumult versucht dabei im Takt zu springen und sich nicht anmerken zu lassen, schon vor 10 Minuten die Orientierung und Partnerin verloren zu haben. Zum Glueck war ich der einzige mit nem Fotoapparat, so dass keine Beweisfotos gemacht werden konnten. Zumindest nicht von mir.... hihi...
Samstag hiess es dann frueh aufstehen und Brian vom anderen Ende der Stadt vom Bahnhof abzuholen. Ihr muesst wissen, der Zug ist nicht das gewoehnlichste Reiseverkehrsmittel in Irland. Aber da Brian schon auf Hintour nach Limerick (das erste Mal in seinem Leben) den Bus genommen hatte, wollte er auf dem Weg zurueck auch (das erste Mal in seinem Leben) den Zug auszuprobieren. Amis halt. Da sag ich nichts zu. Ich bin dann mit ihm quer durch die Stadt zu Europcar gedackelt und hab den Mietwagen fuer den heutigen Tag abgeholt. Ein Auto hatte Brian schon haeufiger in seinem Leben gesehen, wahrscheinlich haeufiger als ich, aber noch nie eines mit Gangschaltung. (no comment) Wir haben dann noch die Maedels von zu Hause eingesackt und los gings in die Wicklow Mountains. Kaum verlaesst man die Autobahn 20km suedlich von Dublin, ist man in einer anderen Welt. Die Doerfer sehen aus wie aus den Alpen und die Strassen haben ne Breite, bei der sich unser Fiat wie ein Hummer oder Jeep fuehlte. Doof ist bloss, wenn dir hinter ner Kurve nen Traktor begegnet, dessen Raeder rechts und links im Graben fahren. Unser erster Stopp war der Powerestate Wasserfall. Ich war zwar noch nie in Canada oder den amerikanischen Rockies, aber genau so stell ich mir die vor: Aus den in durch den staendigen Nieselregen in saftiges Gruen gehuellten schroffen Huegeln plaetschert sanft aber kraeftig und stetig ein Bach auf die Felsen herunter. Davor laed eine gepflegte Rasenflaeche ohne Muelleimer mit uralten Zypressen zum Picknick ein. Fehlt nur noch das "Don't feed the bears!"-Schild. Hier holten wir uns die ersten nassen Fuesse bei der Bachueberquerung, aber einen echten Bergwanderer kuemmert das nicht (denn er hat ein 2. Paar Socken bei.) Leider waren wir keine echten Bergwanderer. So stiegen wir wieder ins Auto und fuhren die kleinen Strassen entlang ins Tal von Glendalough. Dort sind zwei wunderschoene Bergseen und weitere Picknickplaetze. Leider liessen sich die Maedels nicht zu einer dreistuendigen Wanderung um den See herum und auf den Berg an der Seite hinreissen. Das war auch die bessere Idee, denn als wir auf einem befestigten Weg fast im Miner Village am anderen Ende des Sees ankamen, wurde aus dem Nieselregen ein handfester Wolkenbruch und ich lernte zum zweiten Mal, dass meine Regenjacke (selbst nach dem Kauf teuren Impraegniersprays) in ihrem Alter dem irischen Wetter nicht mehr gewachsen war. Ausserdem lernte ich, dass unsere neue kanadische Praktikantin so fest davon ueberzeugt war, dass wenn Sommer im Kalender steht, gefaelligst auch die Sonne scheint, dass sie gar nicht erst auf die Idee kam, eine Regenjacke mit nach Irland zu bringen. Sie mag halt keine Jacken. Die passen doch nicht zum Rock. Zum Glueck hatte unsere regenerprobte Bosnierin einen Schirm UND eine Regenjacke bei (sie ist halt schon ein Jahr hier und ich hab beschlossen, ebenfalls auf die Doppeltaktik umzusteigen), so dass wir nur ueber ne Erkaeltung und nicht ueber ne Lungenentzuendung nachdenken mussten. Zurueck am Auto, Heizung an und trocknen. Dann sind wir noch ins zugehoerige Dorf gestiefelt und haben uns den dortigen Kirchen-/Friedhofkomplex aus dem 10!. Jhd. angesehen. Da hat sich seit der Zeit, wo der heilige Kevin hier gelebt hat, praktisch nichts geaendert (ausser den Postkartenstaenden). Und Konsi, die Daecher sind auch hier aus Stein! Auf dem Weg zurueck sind wir die scenic road ueber Sally Gap gefahren. Leider hab ich nie erfahren, was Sally Gap eigentlich ist, denn als wir die Hochmoorregion erreichten, ging die Sichtweite ploetzlich auf Null. Nebelschwaden von allen Seiten und ab und zu ein an Strassen-, besser Wegrand stehender toter Baum koennen bei klischeeerprobten kanadischen Maedels ganz schoen aufs Gemuet druecken. Brian fing an, Zombiegeschichten zu erzaehlen, ich dachte an Edgar Allen Poe und Ruza amuesierte sich. Mehrere falsche Abzweige spaeter standen wir wie durch ein Wunder vor unserem letzten Ziel des Tages, dem hoechsten Pubs Irlands. Warum gerade der beruehmt fuer seafood ist, hab ich nicht klaeren koennen. Der ganze Laden ist voll von antiquarischem Schnickschnack, Fotos von hier speisenden Promis und lallenden Touristen. Aber spaetestens hier hab ich gelernt, dass in ueberteuerten Pubs die Tagessuppe im lecker ist und durchaus satt macht. Um 22.00 waren wir zurueck zu Hause. Trockene Klamotten waren ein tolles Gefuehl und da keiner mehr Lust hatte auszugehen, brachten sie mir Poker bei.
Am naechsten Morgen musste ich leider frueh raus, um das Auto zurueckzubringen. Brian kam mit und sah ziemlich verschlafen aus. Eine Mitbewohnerin kam nachts mit Freunden besoffen nach Hause und beendete die Party in unserem Wohnzimmer (wo Brian schlief). Am Nachmittag sind wir dann alle zusammen in den Croke Park gegangen: DAS Stadion fuer irischen Sport. Hier sind naemlich nicht Fussball oder Basketball die vorherrschenden Sportarten, sondern Gaelic Football (dem Rugby nicht unaehnlich) und Hurling (mit den selben Regeln wie G.F., aber nem Hockeystock und -ball).
Es gab ein Halbfinale in G.F. und fuer mich, der noch nie in nem richtigen Stadium gesessen hatte (hier war Brian als Ami wieder routinierter), war das ein atemberaubendes Spektakel, 70.000 Fans bei der Arbeit zuzuschauen. Auf dem Feld pruegelten sich die Spieler (Das mit den Fouls ist uns nicht ganz klar geworden. Wir haben uns drauf geeinigt, dass ein Foul ein Koerpereinsatz ist, an den sich der Gegner in einer Woche noch erinnert.) und wir schauten zu. Danach setzten wir Brian wieder in den Zug und begaben uns zum Meeting House Square, wo der Nobelpreistraeger Seamus Heaney (hat jemand schonmal von ihm gehoert?) und ein Dudelsackspieler eine tolle Lesung gaben. Geschafft, aber frohen Herzens ging ich Abends in Bett. Als ersten Versuch fand ich das Wochenende sehr gelungen. Nur ein Dankeschoen waer schoen gewesen.
Und da ich schon wieder viel zu lange meine geistigen Erguesse zu Papier, nee, Bits und Bytes gebracht habe, hoer ich hier nun auf und erzaehl euch den Rest das naechste Mal. Allen, die es bis hier unten geschaftt haben und noch wach sind, wuensch ich einen schoenen Sonntagabend und sage

Goodbye, arrivederci und tschuess bis bald

Euer Stefan