Morz in Ireland

Aufgrund des vielfachen Interesses an meinen Reiseberichten (da freut er sich) hier ein nachträglich gebasteltes Weblog zum nochmal genau nachlesen. Viel Spaß dabei und hoffentlich sieht man sich bald mal wieder....

13 Juli 2006

Reisebericht, was bisher geschah

Hallo Freunde,

ist schon wieder laenger her, seitdem ich euch geschrieben habe. Ich bin ja schon 2 Wochen im Rueckstand. Oh, oh. Lass mal ueberlegen. Ist denn irgendwas Spannendes passiert? Ach ja, Samstag vor 2 Wochen sind wir wieder in der Gegend rumgegurkt und haben uns Irland angeschaut. Diesmal gings nach Norden. Erste Station war das Schloss Trim: Eine Festung aus dem 11. bis 14.Jhd., die noch gut erhalten ist. Wir schlossen uns einer Fuehrung an, welche sehr unterhaltend war. Ich war heilfroh, dass ich in meinem Leben so manchen Fantasyroman verschlungen hatte, denn so hatte ich den einmaligen Vorteil, alle mittelalterlichen Fachvokabeln zu verstehen und English-English Uebersetzer spielen zu koennen. Einige Kamine und Latrinen spaeter fuhren wir weiter in Richtung Bru na Boinne. Das heisst woertlich "Palast am Boinne" und bezeichnet die 3 dort gefundenen Cairns (=Huenengraeber). Und die sind ja mal beeindruckend. Ja, nicht auf den ersten Blick. Zuerst sieht man mit Gras ueberwachsenene kreisrunde Huegel (@Katrinsche und Konsi: ein bisschen wie Tara), als ob ein Riesenigel (mit 150m Umfang) vergessen haette, nach dem Winterschlaf aufzuwachen. Wenn man sich aber die Randsteine etwas genauer ansieht, erkennt man in Stein gehauene Ornamente, meist verschlungene Linien. Und wenn dann einem der Guide erzaehlt, dass die da schon seit ca. 5200 Jahren rumlungern (das ist ca. 600 Jahre aelter als die Pyramiden von Gizeh!), realisiert man, dass die Leute damals keine mit der Keule bewaffneten Barbaren, sondern hochzivilisiertes Volk waren. Und ich fing an, mich zu fragen, was von unserer Zeit in 5000 Jahren noch da sein wird. Der Joghurtbecher und die Plastiktuete vermutlich. Aber genug des Pathos. Es war auf jeden Fall sehr beindruckend sich vorzustellen, wie die Menschen damals tonnenschwere Steine auf einen Haufen schichteten, gross genug, dass spaeter ein befestigtes Dorf drauf stand, nur um jemanden zu beerdigen. Letzte Station des Tages war Monasterboice: Ein versteckter Friedhof mit wunderschoenen keltischen Hochkreuzen. Dann ging wieder zurueck und direkt in meinen ersten irischen Klub. Auf einem Floor gabs gemuetlichen Drum & Bass, so dass ich meine buerogeprueften Glieder etwas ausschuetteln konnte. Bloed war nur, dass wir den ganzen Weg durch die Stadt zurueckwanken mussten, da weder Bus noch Taxi zu kriegen waren. Und der naechste Morgen. Irgendwer musste ja das Auto zurueckbringen. Bis um 9! Super! Dafuer hab ich mir dann den Rest des Tages (praktikanten-)frei genommen und viel gelesen.

Die Woche ueber ist dann wieder nichts Interessantes passiert. Ausser der Bankgeschichte vielleicht: Ich wunderte mich, dass ich 2 Wochen nach Kontoeroeffnung immer noch keine Bankkarte, PIN-Nummer, Liebesbrief, Mahnung oder Morddrohung von meiner Bank erhalten hatte. Ich begab mich also in meine Filiale und fragte nach dem Grund der totalen Ignoranz meiner Bank mir gegenueber. Zum Glueck war gerade meine Bearbeiterin zugegen. Sie fand dann auch schnell heraus, dass mein Konto zwar fuer ihre Filiale existiert, im System aber nie angelegt wurde. Na super! Und wohin wurde mein Gehalt Anfang der Woche gezahlt? Ins Nirwana! Bestimmt freuten sich gerade einige Bankmitarbeiter ueber die unerwartete Aufstockung ihrer Kaffeekasse. Ich solle der Bank nur 24 Stunden geben, dann sei alles geregelt. Nachdem ich der Bank schon 24 Tage gegeben hatte, kommt es auf den Tag auch nicht an, dachte ich mir. Zum Glueck war meine Firma so freundlich, mir einen Scheck ueber mein Gehalt auszustellen. Der braucht zwar eine Woche, bis dass Geld schliesslich auf dem Konto ist, aber das braucht die Post mit meiner Bankkarte ja auch. Vorgestern hab ich dann endlich auch noch meine PIN-Nummer bekommen, so dass ich nach 1,5 Monaten theoretisch Zugriff auf mein Geld haette. Ich hab mich aber aus Angst vor weiteren unangenehmen Ueberraschungen (Karten fressende Automaten, Falschgeld, Geldschredder, was weiss ich) noch nicht getraut. Aber morgen ist es soweit. Ganz bestimmt!

Letzten Mittwoch besuchte mich schliesslich die Sonja und wir nutzten gleich die Gelegenheit, uns die beruehmte unorthodoxe Fuehrung ueber den Glasnevin Friedhof anzutun. Hier liegt wirklich jeder Ire, der in den letzten 200 Jahren von Bedeutung war. Und unser Guide hatte zu jedem eine Anekdote auf Lager. Ausserdem kann man an der Struktur des Friedhofs auch die Politik der "Insassen" erkennen. "Hier liegen die Republikaner, da die IRA und Sinn Fein, da die Faschisten" usw. Schoen fand ich auch, dass man, nachdem man neben dem am aeltesten Teil des Friehofs gelegenen Pubs "The Gravedigger" des oefteren unbeerdigte Saerge mit Schnapsleichen daneben gefunden hat, per Gesetz erlassen hat, dass Dubliner vor 12 Uhr unter die Erde gebracht werden muessen (Pubs oeffnen von 12 bis 12). Uebers Wochenende begaben wir uns in den hohen Norden der Republik. Nachdem wir uns in Sligo einen Wagen geliehen hatten, gings dann in dauerndem Nieselregen ueber Donegal die Westkueste entlang bis zu den hoechsten Cliffs Europas. Da legte das beruehmte irische Wetter noch einen drauf und durch die Sturmboeen regnete es waagerecht. Wir liessen uns davon aber nicht abschrecken und lugten vorsichtig ueber die Kante in Richtung Meer. Beeindruckend. Imposant. Nur die Wanderung am Klippenrand entlang schenkten wir uns. Da waren naemlich schon die Wolken. Und Regen, Sturm und Wolken zusammen (das schafft nur irisches Wetter!) an der Kante einer 250m hohen Klippe ist nicht meins. Uebernachtet haben wir bei Mary. Mary ist eine ca. 70-jaehrige Dame, die ein Hostel in Glencolumkille mit schoenem Blick auf die Bucht fuehrt, bei der selbst Iren noch so einige neue Schimpfwoerter lernen koennen. Insbesondere ueber Regen. Bevoelkert war es von einem deutschen Anti-Gewalt-Training-Klub und wenn wir vorher gewusst haetten, dass man hier wunderbar kochen kann, haetten wir auch noch Nudeln eingepackt. Zum Spiel um der dritten Platz haben wir uns nochmal in den oertlichen Pub begeben und 3 herrliche Tore von Deutschland (eigentlich ja nur 2) gesehen.
Am naechsten Morgen hoerte der Regen zum Glueck auf und wir fuhren weiter nach Norden. An diesem Sonntag haben wir vorwiegend Kueste gesehen. Und Taeler. Tolle Taeler. Schoene tiefe Taeler. Wenn der Nebel nicht gewesen waere, haetten wir in manche auch hineinblicken koennen. Aber auf der Karte waren sie toll. Zum Mittag gabs selbstgeschmierte Stulle mit Seeblick (es klarte inzwischen auf) und wiederkaeuenden Paarhufern als Publikum. Dafuer verwoehnte uns die Sonne am spaeten Nachmittag, als wir uns entschlossen, eine Wanderung zum Schloss Glenveagh im gleichnamigen Nationalpark zu unternehmen. Irische Nationalparks sind irgenwie anders: Der Wanderweg ist asphaltiert, die Rhododendren und die Rothirsche eingefuehrt und das Ufer des Sees hat eine praeziese Rasenkante. Aber sonst reinste irische Glenlandschaft. Naja fast. Das Schloss war im schottischen Stil erbaut, mit einem toskanische Garten dran, roemischen Caesaren als Statuen und englischem Rasen. Trotzdem hatte Sonja (ganz meiner Meinung) sofort beschlossen, nach ihrem Einzug hier nur Kleinigkeiten zu aendern. Die Verlaengerung und das Elfmeterschiessen des Weltmeisterschaftsfinales gabs dann mit indischem Curry am Fernseher unseres Hostels in Letterkenny.
Am Montag betrtaten, oder besser befuhren wir dann britischen Boden und schauten uns das Ulster-American Folk Museum in Omagh an. Unbedingt zu empfehlen, da es ein "lebendes" Museum ist. Im ersten Teil lernt man viel ueber die Lebenssituation der Iren vor der Auswanderungswelle indem man zum Beispiel eine Kate oder eine Schmiede betritt und die Bewohner einem vom "ihrem" Leben erzaehlen. Vom frisch gebackenen Brot und dem Hirsekuchen durften wir leider nicht probieren. Im zweiten Teil der Ausstellung betritt man ein Hafengebaeude, geht an Bord eines Handelsschiffs, mit dem die Auswanderer nach Amerika uebersetzten und kommt schliesslich im Pennsylvania des 19.Jhd. raus, inklusive Maisfelder und Baerenfelle. Unser Weg ging nicht ganz so weit nach Westen, naemlich ueber Enniskillen zurueck nach Sligo, wo wir nach einigen Problemen unser Auto am Flughafen wieder loswurden.
Nachdem Sonja am Mittwoch in Richtung Deutschland aufgebrochen ist, bin ich noch (meinen halben freien Tag nutzend) ins Naturkundemuseum Dublins gegangen. Und ich war beeindruckt. Ein komplett viktorianisches Museum a la Livingston und Darwin! Ein komplettes Tierbestimmungsbuch in einem Gebaeude! Verdraengt man mal kurz den Gedanken an die vielen Tiere, die fuer die 2 Millionen(!) ausgestopften Praeparate sterben mussten, und das manche Arten zur heutigen Zeit praktisch oder endgueltig ausgestorben sind (Breitmaulnashorn, Mekong-Delphin, Beutelwolf, Dodo), ist es eines der beeindruckendsten Museen, die ich gesehen habe. Wer hat zum Beispiel schon mal einen Paradiesvogel aus 10cm Naehe gesehen? Oder einen Panda? Eine portugiesische Galeere? Aber ich hoer jetzt auf mit der Schwaermerei, denn ich muss noch nach Hause: Sachen packen. Morgen geht's auf den ersten offiziellen Wochenendausflug ins Co.Clare, zu den Cliffs of Moher und Galway. Bin mal gespannt, was alles schief geht. Euch aber wuensche ich noch eine gute Nacht und hoffe, dass bei euch alles bestens ist. Bis bald, gehabt euch wohl und

carpe diem


der Stefan