Morz in Ireland

Aufgrund des vielfachen Interesses an meinen Reiseberichten (da freut er sich) hier ein nachträglich gebasteltes Weblog zum nochmal genau nachlesen. Viel Spaß dabei und hoffentlich sieht man sich bald mal wieder....

16 August 2006

Reisebericht aus Irland, Kerry

Hallo Freunde,

ich bins mal wieder. Wie geht's? Niedertraechtig wie ich bin, hoffe ich, dass ihr dasselbe 20 Grad Regenwetter habt wie ich hier die letzten Tage. Gestern kam eine neue Praktikantin aus Malta an und ist bis heute schon voellig durchgefroren. "Ist ja wie im Winter!" Nee, irischer Sommer! Gut, aber ich muss ein bisschen aufholen mit den Ereignisen der letzten 2 Wochen. Mmmh, Mittwoch vor 2 Wochen kam meine Mutter in Dublin an. Ich holte sie, nein, besser: Sie wartete auf mich am Flughafen (Ich stand an einer Haltestelle an der 3 Buslinien zum Flughafen gehen. Alle 10 Minuten. Jede. Ein lustiges Liedchen pfeifend liess mich der Busfahrer des ersten am Horizont auftauchenden Busses 45 Minuten spaeter einsteigen! Ich war auch der letzte, der reinpasste!). Nachdem wir die Sachen in ihrer Bleibe abgeladen hatten, gings auf nen Stadtbummel. Die naechsten 2 Tage musste ich arbeiten und sie schaute sich die Chester Beatty Library, die Kathedralen und den botanischen Garten an. In meinem Uebermut hatte ich meinen Praktis einen fuenften Wochenendausflug (4 waren vorher geplant) angeboten und recherchierte heftig alles ueber und in Kerry. Und da ich auch mit meiner Mutter uebers lange WE dorthin wollte (und nicht gerne Sachen doppelt mache), musste ich erstmal herausfinden, was ich mit den Praktis machen kann. Nachdem ich mich fuer Dingle fuer die Praktis und den Ring of Kerry fuer meine Mutter entschieden hatte, gings ans Unterkuenfte und Mietwagen finden. Leider hatte ich den Erholungsdrang der Iren fuer dieses spezielle WE stark unterschaetzt. Als ich im Netz bei Europcar keinen Wagen fuer Kerry angeboten bekam, wurde ich stutzig. Okay, anrufen. Warteschleife! Als ich endlich durchkam, sagte mir die freundliche Dame am anderen Ende (schwerlich ein Lachen unterdrueckend): "Einen Wagen? Fuer Kerry fuer dieses Wochenende? Ernsthaft? Wir haben fuer dieses Wochenende keinen Wagen mehr frei! Im gesamten Land!" Shite. Aber davon lies ich mich nicht abschrecken und rief trotz Demuetigung bei Avis, Hertz und Sixt an. Mit demselben Ergebnis. Bugdet Car Rental boten mir dann ihren letzten Wagen an. In Dublin (Airport). Fuer schlappe 200 Euronen fuers WE (4Tage). Aber da wir ohne Mietwagen aufgeschmissen gewesen waeren, nahm ich ihn. Die Unterkunft war nicht einfacher zu bekommen. 3 Stunden spaeter hatte ich dann fuer Freitag und Sonntag ein Mixed Dorm in einem Hostel in der Naehe von Killarney und fuer Sonnabend ein B&B auf Valentia Island organisiert. Besser als nichts. Okay, los geht's. Freitag nach der Arbeit sind wir wieder zum Flughafen gefahren und haben unseren kleinen Polo abgeholt. Von da an gings auf die Autobahn (grins, verschmitzt laechel) und in Richtung Limerick. Vorbei am Flughafen Kerry (Sonja: Der ist sogar kleiner als Sligo Airport) und nach Killarney. Da ich in Killarney (die Stadt laesst sich den Ruf, irische Hauptstadt des Tourismus zu sein, zum Glueck nicht wirklich anmerken) einmal falsch abbog und wir durch die naechtliche Seenlandschaft fuhren, dauerte unsere Fahrt knappe 6 Stunden. Noch einen Absacker im oertlichen Pub (kein Ire war zu sehen, nur Touris) und ab ins Doppelstockbett am Notausgang. Am naechsten Morgen schauten wir uns zuerst eine, wahrscheinlich von einer exzentrischen christlichen Gemeinde, weil in Form eines Zaubererhuts gebauten, Kirche in Fossa an. Weiter gings in Richtung des so beruehmten Rings of Kerry. Das ist die Kuestenstrasse (Rundfahrt) entlang der Iveragh Peninsula in Kerry. Erster Stop hier war ein sog. Bog Village. Bog bedeutet Moor und davon haben die Iren mehr als genug. Aber da dort und davon inzwischen kam noch jemand lebt, hat man mehrere typische und echte Gebaeude als ein Dorf zusammengestellt und als eine Art lebendes Museum der Oeffentlichkeit zugaenglich gemacht. Sehr interessant. Neben dem inzwischen wohlbekannten Geruch von verbrennendem Torf gabs auch die sehr seltenen Bog Ponies zu sehen. Und deutsche Touristen am Souvenirstand. Um etwas anders zu machen, als der Reisefuehrer empfiehlt, bogen wir kurz hinter dem Dorf ins Landesinnere der Halbinsel ab. Hier reduzierte sich die Strassenbreite weiter bis ungefaehr die Breite Polo + ein Fussgaenger (von Oli Posth's Statur) erreicht war. Die irische Regierung achtete jedoch weiterhin fleissig darauf, uns durch Schilder auf die amtliche Hoechstgeschwindigkeit von 80km aufmerksam zu machen. Aber die alte Regel bewahrheitete sich: Je schmaler die Strasse, desto schicker die Landschaft. Vorbei an Seen mit grasenden Pferden, einsam an Berghaengen stehenden Haeusern und ueberwucherten Friedhoefen gings gemuetlich in Richtung Cahirciveen, wo wir wieder auf die Kueste trafen. Hier war der Teufel los. Zumindest ausserhalb des Autos. Die ganze Stadt war in ein Strassenfest verwickelt und das besteht in Irland (wenn es kein besonderes Thema gibt) aus Suessigkeitenstaenden und Menschen (vorwiegend Kindern), die auf der Strasse musizieren. Wir draengelten uns vorsichtig durch die Massen und bogen hinter der Stadt in Richtung Faehre nach Valentia Island ab. Dort angekommen suchten wir unser B&B auf und machten uns gleich wieder auf die Socken, um die Insel zu erkunden. Erster Halt waren die Glanleam Gardens. Mama und ich schlenderten durch die fast neuseelaendisch anmutende Parkanlage und testeten unser von Vati ueberliefertes Wissen an rechts, links, ueber und unter uns wachsenden Pflanzen und Gehoelzen. Einige Hortensien, Baumfarne und Montbrezien spaeter fuhren wir zu einem ehemaligen Schieferbergbau. Viele bruehmte Gebaeude (die Houses of Parliament in London oder der Bahnhof in El Salvador zum Bleistift) wurden mit diesem Schiefer gebaut. Und als nichts mehr abzubauen war, was macht man da mit einer so grossen "Hoehle" in Irland? Man schickt nen Prister vorbei, der sie weiht und nennt sie Kirche. Die Maria der unbefleckten Befaengnis wird aber inzwischen vom herabtropfenden Regenwasser ziemlich befleckt. Letzter Stop unserer Inselentdeckungstour war dann die "Skelligs Experience" Ausstellung, um uns auf den morgigen Tag vorzubereiten. Am Abend schlenderten wir noch in ein (der beiden) Seafood Restaurant am gegenueber am Festland liegenden Fischerdorf und taten uns an Lachs (Mama) und Seeteufel (na wer wohl) guetlich. Guinness wird hier auch zu Fisch empfohlen. Danach gings wohl gesaettigt zurueck nach Kingstown auf Valentia, wo unser B&B stand. Mama ging ins Bett und ich quatschte noch ein bisschen mit den hollaendischen Hochseeangelfreunden, die sich ebenfalls im Altazamuth House eingenistet hatten. Spaeter stattete ich dem oertlichen Pub noch einen Besuch ab und schaute einer inzwischen ziemlich entgleisten hen party dabei zu, die Live Band zu becircen.
Am naechsten Morgen gings zurueck nach Portmagee und an Bord einen kleinen Bootes mit Ziel Skellig Michael. (45min) machte dann ein wettergegerbter Ire den Fischen sein Fruehstueck zum Geschenk. Leider traf er unter den Ekelausrufen seiner Frau und seines Kindes das weite Wasser hinter der Reeling nicht, so dass der Rest von uns (12 insgesamt in der Nussschale) neben den Wellen und dem Benzingestank jetzt auch noch mit seinem Mageninhalt zu kaempfen hatten. Mama verlor den Kampf kurz vor Ankunft auf der Insel. Trotzdem stapften wir frohen Mutes die mind. 600 in Stein gehauenen und aus Schiefer gelegten Stufen hinaus. Ich bin zwar noch nie inSkellig Michael ist ein kleiner (500m x 500m) aus dem Atlantik aufragender Felsen, auf dem sich im 6. Jhd. Moenche niedergelassen hatten um in der Einoede Erleuchtung zu finden. Ja, das war damals so. Heute geht man zur Uni. Wir konnten die Insel leider zuerst nicht sehen, da der Seenebel den Ozean noch fest im Griff hatte. Und die Wellen unser Boot. Klasse Achterbahn! Mein Magen dachte Anderes. Nach halber Strecke Suedamerika gewesen, fand mich aber trotzdem irgendwie an Machu Picchu erinnert. Bloss das ueberall in Sichtweite Ozean war. Trotz seiner kleinen Ausmasse ist die Insel ungemein steil und hoch (230m) und es ist mir immer noch ein Raetsel, wie die Moenche hier damals lebten. Kein Baum. Kein Strauch. Nur Kraeuter und Moewen. Fuer 600 Jahre. Die Jungs suchten wirklich die Einsamkeit. Die Insel war ja damals woertlich das Ende der Welt. Aber fuer einen reichte sogar nicht aus, denn auf einem Gipfel der Insel ist das Kloster und auf dem anderen eine Einsiedelei! Auf jeden Fall ist das alles ziemlich beeindruckend und definitiv die Ueberfahrt wert. Das Kloster selbst besteht aus 6 bienenkorbgeformten Huetten, die ohne Moertel o. ae. aus Schiefer aufgeschichtet wurden und noch heute wasserdicht sind. Drinnen kann man bequem stehen, aber schlafen moechte in dem klammen Raum ohne jede Bequemlichkeit nicht. Durch die Jahrhunderte kamen nur die Wikinger ab und zu vorbei und raubten noch das bisschen, was die Moenche hatten. Wir taten es den Nordmaennern gleich und verliessen die Insel wieder mit unseren Boot. Das schipperte noch kurz an Small Skellig vorbei, einem Vogelschutzgebiet mit Hunderttausenden Basstoelpeln, Sturmmoewen und Trottellummen. Die Papageientaucher waren leider schon wieder nach Hause gefahren. Als wir eine Stunde spaeter in Portmagee ankamen und Mama wieder Farbe im Gesicht hatte, gings weiter den Ring of Kerry zurueck nach Killarney. An Sehenswuerdigkeiten auf der Strecke gab es ausser atemberaubender Landschaft noch ein Ringfort aus dem ersten Jahrhundert zu sehen, in dessen gut geschuetzten Mauern der Stefan seinen wohlverdienten Mittagsschlaf hielt. Zurueck im Hostel in Killarney kochte Mama dann eine leckere Zucchinipfanne und ich las noch ein bisschen.
Am Sonntag schliesslich erkundeten wir die Gegend um Killarney und versuchten herauszufinden, warum diese Gegen seit mehr als 150 Jahren die Touristenhochburg Irlands ist. Als geeignetstes Vehikel kam uns das Fahrrad vor und so organisierten wir uns welche. Damit gings zuerst 2 gemuetliche Kilometer zum romantisch gelegenen Ross Castle (hat was von dem Wohnturm in Highlander 1). Leider hatten wir nicht mehr genug Zeit, eine Fuehrung mitzumachen, aber die Ausstellung war auch interessant. Neben der Burg legen kleine Boote ab, die uns (Touristen) ueber die 3 mit einander auf interessante Weise verwobene Seen von Killarney (Lough Laene, Muckross Lake und treffend Upper Lake) schippern (90min). Als kostenlose Dreingabe zur wundervollen Seenlandschaft, gabs die Inisfallen Insel (auf der seit dem 5.Jhd. die Annals of Inisfallen, einem der wichtigsten geschichtlichen Dokumente ueber das Fruehmittelalter), 300 Jahre alte ueberwucherte Steinbruecken und Berghaenge, an denen sich einst die (bald wieder eingebuergerten) Steinadler (Golden Eagle) tummelten. Ab und zu wurde es in den schmalen Kanaelen so flach, dass der Dickste (nein, nicht ich) und ich (der Zweitdickste) uns weiter nach vorne setzen mussten, um das Motorgewicht auszugleichen (oder ganz aussteigen und das Boot ziehen. Super! Andere werden dafuer bezahlt!). Durch den schoenen Sonnenschein waehrend der Bootstour veraenderte sich mein Teint inzwischen zu leicht rot. Nachdem wir unsere Stullen und ne Suppe in einer Baude am See gemuemmelt hatten, begann der Aufstieg zur beruehmten Schlucht von Dunloe. Mama entschied sich dafuer, das "go by bike" woertlich zu nehmen und schob den Berg rauf. Ich kaempfte mich, die Worte "Ein Mountain Bike? Ein Citybike tut's doch auch." des Fahrradverleihers noch in den Ohren, etappenweise den Hang empor. Immer wieder ueberholten einen die Jaunting Cars. Nein, keine Autos. Zweiraederige 1PS starke Kutschen fuer fusslahmes und faules Volk, dass sich lieber vom bequemen Sitz aus die Landschaft anschaut. Am hoechsten Punkt angekommen, zeigte sich die Wahl des Fahrrads als richtig, denn nun gings heidewitzka die Terpentinen, nee, Serpentinen an kleinen Bergseen, picknickenden Touris und den Jaunting Cars vorbei ueber alte Bruecken ins Tal. Dort angekommen fuehrte uns die mit Baeumen umsaeumte (selten in Irland) Nationalstrasse wieder zurueck nach Killarney. Das Teintometer zeigte inzwischen auf hummerfarben, aber das kuemmerte mich als eingefleischten Irlandbewohner wenig. Ich trug meinen Sonnenbrand mit Stolz (und wurde auch prompt am Dienstag im Buero beneidet. In Dublin hatte es geregnet. hihi.) Fuer die Ruecktour von Killarney suchten wir uns eine andere Route raus. Eine mit Zwischenstopp in Cashel, um den beruehmten "Rock of Cashel" zu sehen. Das ist eine spaetmittelalterliche Burg, deren groesste Schoenheit (und strategische Wichtigkeit) daher ruehrt, in einem ansonsten flachem Gebiet auf einem Huegel gebaut worden zu sein. Durchaus beeindruckend von aussen. Rein wollte man uns nicht mehr lassen, also schlenderten wir zwischen den Bullen (das sind maennliche Kuehe, keine Polizisten) um die Burg herum und liessen uns beeindrucken. Der Weg zurueck war ansonsten ereignislos (ich entschied, Kilkenny fuer ein anderes Mal zu lassen) und Abend gabs Aller-Welts-Gemuesecurry bei mir. Dienstag frueh brachte ich das Auto zurueck und unterschaetzte auch diesmal den Andrang. Zwei Stunden spaeter als geplant war ich dann zurueck im Buero, da die Haelfte der Automieter es uebers Wochenende geschafft hatte, ihren Wagen zu Klump zu fahren. Mama hoerte sich ein Mittagspausenkonzert im Dubliner Konzerthaus an (Es gibt hier viele kulturelle Veranstaltungen von 13Uhr bis 14Uhr im Sommer). Am Abend gabs dann noch indische Linsen mit Gemuese bei, na?, Inder, genau, in der Innenstadt. Als ich dann nach Hause kam (21 Uhr), war schon alles verdaechtig still. Spaeter fand ich heraus, das meine eine Mitbewohnerin auf Party und die anderen schon im Bett waren. Die kamen nach 2 Naechten auf europaeischen Flughaefen total erschossen aus Barcelona zurueck. Am naesten Morgen klingelte mein Wecker um 3.30Uhr. Bei Mama war ich um 4Uhr und dann gings mit dem Taxi zum Flughafen und fuer mich um 5Uhr wieder zurueck. Ich nahm mir spontan den Vormittag frei und grunzte noch froehlich bis um 11Uhr.
So, dann bleibt mir an dieser Stelle nur noch, euch allen eine gute Nacht zu wuenschen und hoffe, dass man bald wieder was voneinander hoert. Einen schoenen Sommer noch. Alles Gute und natuerlich

carpe diem


Euer Stefan