Morz in Ireland

Aufgrund des vielfachen Interesses an meinen Reiseberichten (da freut er sich) hier ein nachträglich gebasteltes Weblog zum nochmal genau nachlesen. Viel Spaß dabei und hoffentlich sieht man sich bald mal wieder....

22 Juni 2006

Reisebericht , der Rest der Woche

Hallo Freunde,

das Spiel Kroatien gegen Australien ist vorbei und ich kann nicht mehr gut hoeren oder sprechen; also schreib ich. Was ist sonst so den Rest der Woche passiert? Montag: Nichts ausser Arbeit und lesen. Dienstag: Nichts ausser Arbeit, frieren und lesen (Mittwoch haben wir zum Glueck die Heizung in der Wohnung wieder aufgedreht). Mittwoch: Ueberlegte sich meine Firma/Behoerde, spontan ihren jaehrlichen Wir-gehen-zusammen-ne-Runde-Golf-spielen-Nachmittag zu veranstalten. Und da extra jemand vorbeikam, um mich zu fragen, ob ich mitspielen moechte, sagte ich Ja. (Golf scheint komischerweise in Irland einerseits sehr beliebt und andererseits fuer alle Altersgruppen geeignet zu sein, wo doch in Deutschland vorwiegend ab 60 aufwaerts der Rasen umgepfluegt wird?) Zwar hatte ich noch nie Golf gespielt, keine Schlaeger, Schuhe oder sonstiges Utensil, aber immerhin zu Schulzeiten schon einmal als Caddie gejobbt, so dass ich ein 9er Eisen von nem Driver oder nem Putter unterscheiden kann. Ich fuhr mit Neil nach Hause und er konnte mir gluecklicherweise Schuhe und Schlaeger leihen. Auf dem Golfplatz angekommen, waren wir die einzigen, dir keine eigenen Golftrolleys hatten und wir mussten uns peinlicherweise welche im Golfklub leihen. Gespielt wird "Scramble", also im Team. Und wer den besten Schlag hatte, bei dem spielen alle vom Team weiter. Mein erster Schlag dauerte 6 Schlaege, bevor ich das erste Mal den kleinen weissen Ball traf. Und immer nen lustigen Spruch auf den Lippen haben im Land des Smalltalks. Irgendwann gingen die mir aber aus. Zum Glueck bewegte sich der Ball ca. 5m weit, so dass wir weitermachen konnten. Am dritten Loch hatte ich dann den Dreh raus, den Ball beim ersten Mal zu treffen, allerdings ging er immer irgendwohin. Aber das ist im "Scramble" ja egal. Beim fuenften Loch schaffte ich es sogar aufs Gruen und bei achten waren meine Fuesse in den zu engen Golfschuhen wundgelaufen. Aber der Ausblick ueber die Bucht von Dublin war grossartig. Und die Schauer rechts und links von uns niederfallen zu sehen war unbezahlbar. Irgendwie hatten es die hohen Tiere geschafft, Petrus davon zu ueberzeugen, es ueberall regnen zu lassen, nur nicht auf dem Golfcourse. Am 13. Loch hab ich den Ball sogar mal lochen koennen und ab dem 14. flog er nur noch in die Buesche und Graeben. Egal. Immerhin hab ich so'n komischen kleinen weissen Ball in guter Gesellschaft bewegen duerfen. Ihr oberen Zehntausend, ich komme! Nachher gabs noch Abendessen (zum Glueck von Neil und mir auf Firmenkosten) in nem nahegelegenen Pub und dann wurde ich noch nach Hause gefahren. Von mir aus koennen wir das oefter machen!
Heute hab ich dann die zweite Praktikantin vom Flieger abgeholt. Hat ne ganze Weile gedauert. (Knorkator im Kopfhoerer haben, waehrend neben dir zwei Nonnen auf ne Ordensschwester warten und freundlich rueberlaecheln, ist schon toll.) Wieder ein Maedel, dass das erste Mal ausser Landes ist. Na das wird noch witzig. Wolln wir wetten, dass ich morgen frueh nen Anruf krieg, wie sie in die Stadt findet und wo ihr Arbeitgeber ist? Aber das ist ja mein Job.
Sonst gabs heute noch das Australien-Kroatien-Spiel. Da nur ein australischer Pub das Spiel uebertrug, war der, als ich ne Stunde vor Spielbeginn da eintraf, schon maechtig voll. Also nen Pitcher an der Theke geholt, nen guten Platz mit Blick auf die Grossleinwand gesichert und nicht mehr bewegt. Ein paar kroatische Fans wurden auch reingelassen und in einer separaten Ecke verstaut. Und dann ging das Spiel los. Mit einem 1:0 fuer Kroatien. Da ich leider im australischen Teil (=95% der zweistoeckigen Kneipe = ca. 600 Personen) stand, musste ich schnell die moralischen Seiten wechseln. Nach jedem Bier stellte sich auch mehr heraus, das diese Entscheidung richtig und die Kroaten die Boesen waren. Und spaetestens nach dem 2:2 der Australier kam jeder Ballbesitz der Aussis einem Hoersturz gleich. Mit selbigem Endstand zogen diese dann ins Achtelfinale und ich kam in die Lage, die bei Tom Waits auswendig gelernte Waltzing Mathilda mitsingen zu duerfen. Mehrere "Down under"'s und "Thunderstruck"'s spaeter hab ich mich dann abgeseilt, um den Brasilianern wieder beim Feiern zuzuschauen und bin in diesem Internetcafe haengengeblieben. Ist uebrigens ein EsayWeb Internetcafe. Anscheinend neben EasyBoat, EasyHotel und EasyJet eine neue Billigmacke von Herrn Stelios Haji-Ioannou. Aber nun sag ich euch gute Nacht und werd mich, mit der noetigen Bettschwere versorgt, in selbiges begeben. Macht es gut und bis bald


Euer Stefan



P.S.: Carpe noctem.

Reisebericht aus Galway

Hallo Freunde,

Ghana hat grad den Einzug ins Achtelfinnale geschafft (Yeah!) und das Spiel Australien gegen Kroation geht erst in 2 Stunden los. Da bleibt mir ja noch genug Zeit fuer einen kurzen Zwischenbericht (den ich wieder am gleichen Rechner mit dem gleichen &&§@"£-Keyboard schreiben darf. Man, hier sind bestimmt 70 Rechner in dem Laden.....). Aber gut. Galway. Liegt an der Westkueste Irlands und ist ein niedliches Staedtchen von 60.000 Einwohnern. Trotzdem hat man die Altstadt in ca. 10 Min durchquert. Das liegt aber vorwiegend an den dichtgedraengten mittelalterlichen Strassen mit seinen bunten Fassaden. Als ich mit dem Bus ankam, hatte sich anscheinend die gesamte Bevoelkerung auf dem Eyre Square (dem Platz der Einheit nicht unaehnlich) zusammengefunden, um mich zu empfangen. Zumindest war der Rasen zwischen den Menschen kaum zu sehen. Doch als ich den ersten Fuss auf Galways Boden setzte, verschwanden alle Eingeborenen urploetzlich ueberall hin und die von Western bekannten Ballen haetten getrost ueber den Platz rollen koennen, ohne die Atmosphaere zu stoeren. Entweder hatten die Galwayer jemand anderen erwartet oder mochten den ersten Regen seit Wochen wirklich nicht. Aber ich war nun mal da (zusammen mit dem Regen). Mit Laverne war ich erst in 2 Stunden verabredet, so dass ich mich gemuetlich und geflissentlich den Charme Galways (und den Regen) in mich aufnehmend durch die schoenen Gassen der Stadt bewegte. Es gab mehr Pubs als andere Haeuser, aber auch tolle Antiquitaetengeschaefte, Schuhmacher und Haustierbestatter. Im uebrigen schien nach dem 18 Jhd. kein Haus in Galway mehr gebaut worden zu sein. Nur die Kirchen sind modern in Galway, allerdings auch nur von innen. Laverne, die ich in ihrer Stadt besuchen wollte, ihres Zeichens das einzige IAESTE-Lokalkomitee Irlands, um mit ihr die bevorstehenden Wochenendausfluege zur Westkueste zu eroerten, holte mich am fruehen Abend am menschenleeren Eyre Square ab. Ihr Freund hatte gerade den Nudel-Huehnchen-Lecker-Sosse-Auflauf in den Ofen geschoben und ich war froh, nur sicherhaltshalber eine Flasche Weisswein gekauft zu haben. Nach leckerem Schmaus wurden die letzten Spiele der WM analysiert und alles bzgl. weekend trips zusammengetragen. Fuer den Abend hatten wir uns mit Mari aus Norwegen (Prakti in Galway) verabredet. Die Auslaender tranken Guinness, die Iren Becks und Miller und ich hab wieder etwas ueber IAESTE in anderen Laendern gelernt. (Ich vergass zu erwaehnen, dass saemtliche Galwayer puenktlich zum Samstagabend wieder aus ihren Haeusern kamen und in die Pubs draengten. Leider kam ich nicht dazu, sie zu fragen, auf wen sie gewartet hatten.) Als Absacker nach Sperrstunde gings dann zu einer Party von Freunden von Laverne. Allerdings bestand die Party nur noch aus 2 Personen. Er konnte noch stehen. Wir brachten sie ins Bett und setzten uns zu BigBrother ins total verwuestete Wohnzimmer und quatschten ueber Dies und Das.
Da ich den Stadtrundgang schon hinter mich gebracht hatte, empfahl mir Laverne fuer Sonntag, am Strand entlang in den nahegelegenen Badeort zu laufen. Gute Idee. Nach ca. 500 Metern merkte ich, dass es eine schlechte Idee war. Es kam wieder Regen auf. Und die Gischt war bei Windstaerke 31 auch nicht zu unterschaetzen. Auf ungefaehr dem halben Weg war ich linksseitig durch bis auf die Knochen. Doch tapfer beobachtete ich die tolle Brandung, die schoenen Haeuser und dachte sehnsuechtig an heissen Tee und Badewanne. Im Ort angekommen, setzte sich die Memme Stefan (nach einer Tasse Tee im oertlichen Schwimmbad) in den naechsten Bus zurueck nach Galway und dort in den gerade ablegenden Bus nach Dublin. Diesmal dachte ich auch mit, nahm meinen Rucksack mit in den Bus und setzte ihn auf den Sitz neben mir, um nicht wieder neben einem kuschelbeduerftigen, nach Alkohol stinkenden Polen sitzen zu mussen. Als ich wieder in Dublin ankam, waren meine Sachen auch schon fast trocken. Natuerlich war in Dublin das ganze Wochenende schoenes Wetter gewesen. (Nebenanekdote fuer Konsi und Schlabi: Weil ich noch nicht nach Hause wollte und grad eine Spielhoelle gefunden hatte, dachte ich, man koennte ja mal ne Runde Billard spielen. Also erstens sind die Tische wirklich groesser und zweitens sind deswegen die Kugeln auch kleiner als in Deutschland. Ich sah also wie Krtek, der kleine Maulwurf auf die andere Seite des Tisches und war sehr frustriert ueber den maessigen Erfolg, Kugeln einzulochen.)
Ups, ich schau grad auf die Uhr. Jetzt muss ich aber flitzen, denn es gibt nur einen australischen Pub in Dublin, der das Spiel uebertraegt (Irland und BBC zeigen BRA - J). Hoffentlich haben diesmal die Kroaten und Brasilianer auch Grund, zusammen zu feiern. Als dann, macht's gut und bis bald zum Rest der Geschichte.

Carpe diem


Stefan

19 Juni 2006

Reisebericht aus Dublin, Nummer 4

Liebe Freunde,

wie geht es euch? Ich hoffe doch gut. Ich komme grad ausm Kino und dem Film "Lobo". Laeuft der auch in Deutschland? Was fuern guter Film ueber Spanien unter Franco und die ETA! Ich bin daher noch ein bisschen mitgenommen. Wuerd gern wissen, wie der in Spanien ankommt. Wahrscheinlich aehnlich gut aber gespalten wie in Deutschland "Das Leben der Anderen". Wie es scheint, ist gerade die Zeit der Geschichte-aufarbeiten-Filme, denn demnaechst kommt hier in Irland "The wind that shakes the barley" raus. Gedreht wurde der naemlich von dem Briten(!) Ken Loach, spielt um 1920, der Zeit des Anglo-Irischen "Krieges", ist aber eher pro-irisch! Aber nun zu meinen neuen Erlebnissen im Land der Lepreachans, des Guinness und der Schafe. Was bisher geschah: Letzten, nee, ueberletzten Samstag hab ich eigentlich vorwiegend gefaulenzt. Ich versuch ja immernoch das "Ramayana" durchzulesen, bin aber immer noch im vierten Buch. Abends dann bin ich dann in die Christ Church Cathedral gegangen. Da gabs naemlich ein paar Bachmotetten inkl. kleinerer Orgelwerke zu hoeren. Die Orgel kann man zwar vergessen (nichts ist schlimmer bei einem Orgelkonzert, als eine fehlplazierte Orgel, bei der der Klang unterschiedlich lang braucht, durch die Gewoelbe zu stromern und dabei zu klein ist, um den Raum zu fuellen), aber der 20koepfige Chor war grandios. Alles a capella und glasklar. Und die haben den gesamten Raum der Kathedrale nutzen koennen! Aber genug der Konzertkritik! Abends hab ich dann die Stephie (v.W.) vom Busbahnhof abgeholt und wir sind zu einer Party bei Freunden gegangen. Fuer Sonntag war dann endlich die Chester Beatty Library dran. Beeindruckend, sag ich euch. Der Mann hat ueberall in der Welt (neben anderen Dingen) religioese Schriften und Reliquien gesammelt und dabei u.a. eine der wichtigsten und besten Koransammlungen zusammengestellt. Da bezahlt man im Trinity College 8Euro um 2 Seiten einer bebilderten Bibel des 8 Jhd. (Book of Kells) zu bestaunen (ist schon toll), um dann fuer umsonst in die Chester Beatty Library zu gehen und biblische Pergamente des 2(!!!) Jhd. anschauen zu koennen; oder buddhistische Palmblattschriften. Toll sind auch die "Christentum links, Islam rechts und Hinduismus geradeaus"-Schilder. Montag, nach der Arbeit, wollten wir dann in ein beruehmtes Jazzlokal. Wir fanden es dann eine halbe Stunde spaeter in einer kleinen, aber schicken Ecke Dublins und waren sichtlich erstaunt, als der Einlasser 8Euro von uns haben wollte, denn es stand ja "Admission free" in der Zeitung. Diese wurde daraufhin eingehend studiert und natuerlich fuer Nonsens befunden. Man amuesierte sich aber mehr ueber die anscheinend schon bekannte Bloedheit des Schreiberlings, als sich aufzuregen. Daher kam es auch, dass der Pianist der Combo (ca. die 10. Person, der wir die Zeitung zeigen sollten) dann sagte: "Es steht da, also stimmt das fuer die beiden!" Klasse. Und so gabs in einem schoen schummerigen Jazzlokal eine tolle Session mit Martini, glaub ich, Free Jazz und leider ohne den zum Abiente passenden Zigarettenqualm. Dienstag fuhr Stephie dann wieder zurueck nach Cork und ich ging abends in die National Concert Hall, um mir Tschaikowski und Bernstein anzuhoeren. Der Kartenpreis reduzierte durch vorzeigen meines Studentenausweises unerwartet von 15Euro auf 5Euro. Das Geld hab ich trotzdem ausgegeben, als ich einem Arbeitskollegen in der Pause ein Glas Weisswein ausgab. Shit. Erst auf die Preise schauen. War trotzdem ein tolles Konzert mit hingebungsvoller Solo-Geige und herrlich unprofessionellem Orchester. Mittwoch war dann das Deutschland-Polen-Spiel und da mich anscheinend in der Ferne doch das Fussballfieber gepackt hat (ausserdem braucht man ja als Nichtraucher ein Ersatz-Einstiegsthema), folgte ich der Einladung einer bosnischen Bekannten ins "Major Tom's". Alles sah sehr vorbereitet und arrangiert aus: Vor der Grossbildleinwand standen 2 grosse Tische: Einer voll mit Deutschlandfans, der andere mit polnischen! Und so uebertoenten wir uns gegenseitig bei allen Torchancen und total unberechtigten gelben Karten. Durch die glueckliche 90. Minute waren's die Deutschlandfans, die mit einem Laecheln im Gesicht das Lokal verlassen konnten. Die heiseren Kehlen wurden dann im "Hairy Lemon" mit kuehlem Blondem angefeuchtet und auf einmal stellte sich beim Kennenlernen heraus, dass alle, ausser der Bosnierin, Physikstudenten oder -doktoranten waren. Wird man die denn nie los! Der Abend klang trotzdem friedlich mit Diskussionen ueber Veroeffentlichungsdruck und Maxwellgleichungen aus. Am Donnerstag erhielten Neil und ich waehrend der Arbeit eine email von "Michael" vom IAESTE LC aus Leoben, Oestereich, dass er grad in Dublin sei und Lust hatte, mit uns ein Bier trinken zu gehen. Neil konnte sich nicht erinnern, Michael schon einmal getroffen zu haben, ebensowenig wie ich, aber er sagte ab und ich zu. Michael hatte seine Freunde mitgebracht. Ein gesamtes LC, bestehend aus 10 Leuten und in Partylaune. So wurde der Donnerstag Abend wieder wider Erwarten ein teurer und langer. Ich betaetigte mich als Fremdenfuehrer und die Truppe als Touristen. Daraufhin bewegte ich mich am Freitag direkt nach der Abend (mit einem kurzen Besuch des marokkanischen Marktes) nach Hause und blieb da. Wahrscheinlich hab ich dadurch etwas verpasst, denn Freitag war "Bloomsday". Leopold Bloom ist die Hauptfigur von James Joyce's "Ulysses", einem in Dublin spielendem Buch, auf das jeder zweite Pub Bezug nimmt, denn in der Geschichte bewegt sich Bloom wahrscheinlich durch alle Kneipen Dublins. Und am Bloomsday laufen in viktorianische Kleider gewandete Verehrer Joyce's durch die Strassen und rezitieren dramatischen Kram. Die Geschichte allerdings hab ich trotzdem nicht verstanden, obwohl sie lose an die Odyssee (Ulysses = Odysseus) angeknuepft ist. Gluecklicherweise hatte ich nicht die wahnwitzige Idee, das Buch zu lesen (es gilt als einer der unlesbarsten Klassiker), sondern die, mir zur Feier des Tages den zugehoerigen Film aus den 50er/60er Jahren anzuschauen. Selbst meine kanadische Mitbewohnerin war hinterher genauso schlau wie vorher. Egal! Es gibt ja noch andere beruehmte irische Schriftsteller. Yeats zum Beispiel. (Grummel)
Samstag hab ichs dann endlich nach Galway geschafft und puenktlich zu meiner Ankunft an der Westkueste hoerte der irische Sommer auf und empfing mich traenenreich. Doch davon ein andermal mehr.
Ich wuesche euch allen einen schoenen Sommer und alles Gute. Und noch nen tollen Abend. Und ein besser funktionierendes Keyboard als dieses %§#*$-Ding hier im Internetcafe. Macht es gut und bis bald

Carpe diem

der Stefan

09 Juni 2006

Reisebericht aus Dublin, die dritte

Liebe Freunde,

der Plan, die Weltherrschaft zu erringen, ups, aehh, ein Insider Dublins zu werden, macht weiter Fortschritte. Zwar hat sich die alte Bibliothek ein zweites Mal erfolgreich weigern koennen, von mir betreten zu werden, aber so leicht geb ich nicht auf. Irgendwann erwisch ich sie schon offen. Dafuer hat die Geschichte mit dem Jazz geklappt. Man stelle sich ein kleines Strassencafe mit dem typisch irischen Namen "Cafe en Seine" vor. Wenn man sich an den (hier in Jacket und Fliege gekleideten) ortsueblichen Tuerstehern (sehr schoen im Engl.: Bouncer) vorbeitraut, erwarten einen unerwartet hohe grosse Hallen, besser Salons, ueber und ueber voll mit franzoesischem Mobiliar und Kitsch des ausgehenden 19.Jhd. Es gibt so viel Platz, dass man gar nicht merkt, dass der Laden bereits voll ist. Ich hab mich dicht an die aufbauende Band gesetzt und angefangen, Postkarten zu schreiben. Die Musik war exzellenter Old School Jazz und Dixiland mit einer Band deren Durchschnittsalter auf persoenliche Kontakte zu Louis Armstrong und John Lee Hooker schliessen laesst. Aber koestlich amuesiert haben die sich. Auf jeden Fall besser als das Publikum. Wenn eine alte Freundin ins Lokal kam, wurde mal kurz fuer ein paar Takte zu spielen aufgehoert, gegruesst und wieder eingesetzt. Echte Musiker eben....
Ausserdem bin ich am Montag zufaellig ueber den grossen Mini-Marathon der Frauen (schon jaehrlich Institution) gestolpert. War ja auch nicht weiter schwierig, da ja die gesamte Suedhaelfte der Stadt dafuer gesperrt war. Bemerkenswert war dabei, dass einerseits wohl die Haelfte der weiblichen Bevoelkerung Dublins mitgerannt sein muss, so voll war's, und dass praktisch alle T-Shirts mit Institutionen, fuer die sie laufen, anhatten und diese durchaus politischer Natur waren, wie Hospizbewegungen, Brustkrebshilfegruppen oder Frauenhilfevereine. Und das in einem Land, in dem Abtreibung per Grundgesetz verboten ist und Frauenzeitschriften aus Klamotten und Kinder aufziehen bestehen. Hut ab. Aber genug der Lobhudelei. Sind ja keine irischen Frauen im Verteiler.....
Mein persoenliches Ziel fuer Dienstag war es, eine Versorgungszentrale fuer Brot zu finden! Versteht mich nicht falsch; es gibt genug Brot hier. Ist nur alles fluffiges Weissbrot. Versuch da mal einfach nur Honig draufzuschmieren. Reissfest wie Zuckerwatte! Mehrere Tescos, Centras und Spars spaeter bin ich auf einen voellig ueberfuellten Lidl direkt am Markt gestossen. Und was gab's da? Das letzte Sonnenblumenkernbrot. Zwar musste ich mich gegen ein paar Oesterreicher durchsetzen, aber am Ende war der Stefan gluecklich. Kurz danach viel mir auf, dass das gesamte Sortiment quasi aus der Berliner Strasse in Pdm nach Dublin transferiert worden war. Und zwar mit denselben Preisen. Nicht dass ich im Ausland versuche, mich weiter "deutsch" zu ernaehren, aber Brot und Saft sind wohl nicht zu ersetzen.
Meine Anekdote fuer Mittwoch betrifft ein Filmfestival, dass gerade in Dublin angefangen hat. Da werden in ausgewaehlten Pubs, dem Filminstitut und auf einem Platz mitten im Ausgehviertel (Open Air) Filme gezeigt. Irische Low Budget Produktionen, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Toll, dacht ich mir. Stefan, als selbstbezichtigter Cineast nimmst du das mit! Gesagt getan. In die Stadt. Zum Open Air Kino. Und schon wunder ich mich, warum am Einlass ein Haufen Menschen stehen und drinnen ne Handvoll. Ich fand sofort raus, dass das Filmfestival von nem Filmverein veranstaltet wird und nur Mitglieder rein duerfen, da unzensierte Filme gezeigt werden. Kein Problem: Mitgliedschaft fuer das Festival kostet nur 1 Euro und jede Karte dann 2. Haken: das zugehoerige Buero hat natuerlich schon zu und selbstverfreilich steht keiner vom Club am Einlass. Soviel zu irischem Organisationstalent. Zum Glueck hatte einer der Eintrittsberechtigten noch ne zweite Karte und der Stefan stand grad guenstig am Eingang. Da sass ich nun mit dem Haufen Cineasten und schaute mir den zweiten Horror-/Splatterfilm an. Aber der war richtig gut gemacht. Die Story natuerlich selten sinnlos wie immer (BSE erkrankte Kuehe fangen an, Menschen anzufallen und alle werden auf einmal Menschenfresser. Ein sich in der irischen Provinz verirrtes Paerchen versucht zu ueberleben. Und schafft es, ... ,nicht!), aber die Dialoge waren sehr witzig und menschenfressende Kuehe sind einfach zu bloed um schlecht zu sein.
Gestern bin ich dann in der Mittagspause schnell in besagtes Buero, um Filmclubmitglied zu werden und hab mir gleich ne Karte fuer den 20Uhr Film geholt. Da bin ich dann auch hin (ein toller fantasievoller Film ueber einen vertraeumten irischen Provinzler, der Schriftsteller werden moechte). Am Abend bin ich dann noch mit einer Bosnierin im polnischen Viertel chinesisch Essen gegangen, um mich nachher noch mit ihren argentinischen und spanischen Freunden in nem irischen Pub zu nem hollaendischen Bier ueber die Weltmeisterschaft in Deutschland zu unterhalten. Es ist ziemlich multikulturell hier. Heute hab ich dann noch anderthalb Stunden in einem Bus zum Flughafen im Stau verbracht(wenn der Busfahrer sich nicht noch spontan ueberlegt haette, vorneweg ne halbe Stunde Pause zu machen, bei einem Bus, der alles 15Min zum Flughafen unterwegs sein sollte, haette ich durchaus noch rechtzeitig da sein koennen), um ein Maedel vom Flieger abzuholen und (nach weiteren anderthalb Stunden zurueck zum Stadtzentrum = 15km) in einen Bus nach Cork zu stecken, konnte ich mich dem Weltmeisterschaftsfieber nicht mehr entziehen und hab mich zu nem Haufen Iren und Deutschen in den Pub gesetzt. Und auf einmal ist man mittendrin. Ein Oohh hier. Ein Ahh da. Ein Watndat dazwischen. Und ein Pint in der Hand. War'n klasse Spiel, muss ick schon sagen. Und das Tor von Frings in der 87.: Sahne. So, jetzt ziehen schon die groehlenden polnischen Fans durch die Stadt, d.h. Zeit fuer mich, in den Schmelztiegel zurueckzukehren. Allen, die waehrend des email-Lesens noch nicht eingeschlafen sind, wuensche ich noch ein schoenes sonniges Wochenende und ich schreib bald wieder (wahrscheinlich eher, als euch lieb ist). Alles Gute und carpe diem

Euer Stefan

05 Juni 2006

Reisebericht aus Dublin 2

Tag die Damen und Herren,

langsam hab ich es mir in Dublin gemuetlich gemacht. Freitag war dann mein erster Arbeitstag mit Neil (= IAESTE Ireland) und wir haben praktisch nur ueber alles gequatscht, wie IAESTE hierzulande funktioniert, finanziert wird und so weiter. Am Abend hab ichs dann endlich mal in Dublins Szeneviertel "Temple Bar" geschafft. Da war ne Menge los, selbst fuer ne Hauptstadt. Man merkt, dass sich die Touris schnell von der ausgepraegten Lebensfreude und der Trinkgefaelligkeit der Iren anstecken lassen. Leider war ich ein bisschen fertig vom Tag und immer noch allein unterwegs, so dass ich nach 3 Kneipen recht muede und einsam war. Aufm Weg nach Hause hab ich jedoch noch nen urigen Pub um die Ecke gefunden und so dass ich mit vernunftiger Bettschwere versorgt, den Heimweg antreten konnte. Meine polnische Mitbewohnerin gab mir Abends noch die Nummer von einer Freundin von ihr, so dass ich den naesten Abend nicht schon wieder allein trinken muesste. Am Samstag gabs dann Touristentour satt: Erst durch Dublins mittelalterlichen Altstadtteil, dann zur Mittagszeit fuer ne Suppe in Dublins aeltestem Pub eingekehrt (seit 1198!), dann ein paar romanische Kirchen von innen und aussen begutachtet und schliesslich in die Dublinia gegangen. Das ist eine interaktive Ausstellung, die sich mit dem mittelalterlichen Leben in Irland und den Vikingern (welche Dublin erst zur Stadt und zum Angelpunkt Irlands gemacht haben) beschaeftigt. Sehr gelungen. Nach noch ein paar mehr Kirchen und nach Linoleum schmeckenden Fish'n'Chips hab ich mich dann mit besagter Freundin meiner Mitbewohnerin verabredet. Wir sind dann in einen Laden gegangen, wo zum Glueck ein Kumpel des Freundes der Mitbewohnerin der Freundin meiner Mitbewohnerin (noch dabei?) in einer Band spielte, die da grad einen Aftritt hatte. So hab ich wenigstens ein paar Leute etwas naeher kennengelernt. Three Pints spaeter gab aufgrund von Taximangel (die sind hier billiger als der Nachtbus!) einen beschwerlichen Weg zurueck nach Hause. Am Sonntag schliesslich war ausschlafen und ein gemuetlicher Bummel entlang des gruenen (im und am Wasser) und besinnlichen Grand Canal mit ungemein entspannendem Funny van Dannen im Kopfhoerer angesagt. Bei den Docks angekommen, gabs, neben den U2 Towers, so genannt wegen des Studios von U2 dort, ein multinationales Strassenfest. Da lagen 6 Grosssegler, zum groessten Teil betret- und bekletterbar, Musik, die "Deep Sea Jivers" waren mein persoenliches Highlight (5 in Neoprenanzuegen steckende Typen, die einen mit allerlei Meereszeug vollgehaengten Wagen vorwaertsschieben, an dem ihre Technik (Keyboard, Mikros und Co) befestigt ist, und die beste 60er Jahre Musik spielen. Definitiv was fuer Herrn Riks) und Tausende von Staenden von Gemaelden, Lebensmitteln (die Deutschen waren natuerlich mit Erdinger Weissbier und Bratwurst vertreten, Beschriftung als einzige in Deutsch, war ja klar) und anderen, wie Bonzai- oder Astrologiestaenden. Ich hab wieder Unmengen Geld in nicht im Supermarkt zu bekommende Delikatessen wie franzoesischen Kaese, bezahlbare Salami oder hollaendische Honigwaffeln (mmmh!)gesteckt. Den Abend hab ich diesmal vorm Fernseher bei "Resident Evil" verbracht. Bei ner leeren Wohnung wirkt der wenigstens. Vor allem, wenn gegen zwei Uhr ein nicht erwarteter Freund einer Mitbewohnerin besoffen nach Hause kommt. Da faengt man wieder an, an Zombies zu glauben.....
So heute solls noch mal Kultur geben mit einer alten Bibliothek und anschliessendem Jazz in einem gehobenen Etablissement.
Ich wuesch euch allen noch einen schoenen Pfingstmontag. Carpe diem und bis bald

Stefan

01 Juni 2006

Die ersten Tage

Hallo Freunde,

wie es aussieht, bin ich gut in Dublin abgekommen. Ich war zwar in Schoenefeld ziemlich fertig und muede (3 1/2h Schlaf sind so doch nicht der Wahnsinn), aber inzwischen hab ich mein Schlafdefizit ausbessern koennen. Zuerst hab ich's auf Flughafen versucht; ein 2 Stunden verspaeteter Flug gab mir Gelegenheit dazu, allerdings waren andere mies gelaunte Passagiere dagegen. Im Flugzeug dann hatte sich der Tee- und Kaffeewagen in mein Knie verliebt, so dass ich nach zweimaliger inniger Beruehrung beider das Schlafen endgueltig aufgab. Am Flughafen dann wurde ich von einem sehr netten ruhigen Herrn Ende 60 abgeholt. Wir warteten noch zusammen auf die zweite Praktikantin Tanya aus Canada. Er fuhr ins in die Unterkuenfte: Ein im englischen Industriestil gebautes Reihenhaus (wie bei James in Belfast), denn Studentenwohnheime gibt es eigentlich nicht in Irland. Ich wohne jetzt in einem knapp 6 m^2 grossen Zimmer in einer Maedels-WG. Somit kam ich am Abend zu meiner ersten Folge "Desperate Housewives". Leider hab ich von der Geschichte nicht viel mitbekommen, da fuer eine grad aus dem Urlaub gekommene Mitbewohnerin alles nacherzaehlt und kommentiert wurde. Ausserdem hab ich im Supermarkt am gleichen Abend auch verstanden, warum mir hier soviel gezahlt wird. Bei Preisen wie 1€/Liter Milch, 3€ fuer 1kg Brot (was die hier Brot nennen) oder ner Flasche Bier bei 2€ werd ich hier wohl nicht reich werden.
Am Mittwoch dann bin ich zuerst zum Sozialamt, wo ich meine Steuernummer beantragen musste. Ausser der Frau hinterm Empfangstresen war niemand wirklich der englischen Sprache maechtig, aber ihre inzwischen erlernten Gebaerdensprachkenntnisse waren auch nicht zu verachten; halt wie ein typisches Neukoellner Einwohnermeldeamt. Nachdem ich meine Antraege bekommen habe und die noch 30 vor mir wartenden Menschen erfahrungsgemaess noch einige Stunden verweilen wuerden, begab ich mich zur National Irish Bank zur Kontoeroeffnung. Dass das die NIB sein musste, liegt daran, dass jeder Arbeitgeber dich nur bei seiner Hausbank, fuer Behoerden natuerlich die NIB, empfehlen darf. Dort angekommen, sagte mir die zustaendige Angestellte, dass ich schon einen Termin brauchte, die aber im Juni praktisch nicht mehr verfuegbar sind, und ich darueberhinaus noch dies und jenes, eine Bescheinigung meiner Bank in Deutschland, mindestens 2 Identitaetsnachweise, bla bla bla mit bringen muesse. Ich gefrustet wieder zurueck zum Amt und kam schon 2 Stunden spaeter an einem der 3 besetzten (von 15) Schalter dran. Da nahm mir eine Frau meine Antraege ab, machte ne Kopie, gab sie mir 10 Sekunden spaeter zurueck, wuenschte mir einen guten Tag und unterhielt sich wieder mit ihrer Nachbarin. Die Geschichte mit der Bank wurmte mich immernoch, so dass ich noch einmal zur NIB zurueckging. Diesmal zeigte ich der erstbesten Frau mein Empfehlungsschreiben, und zwar so, dass sie nicht mich, sondern zuerst den Brief sah, und fortan waren 5 der 7 Mitarbeiter mit diesem beschaeftigt. "Passt ihnen morgen 14Uhr?" war die Frage. Ich war beeindruckt!
Am Abend hatte ich eine Einladung zur Verabschiedung einer Mitarbeiterin von Leargas (etwa DAAD, meine Arbeitsstelle). Jemand hatte die grossartige Idee, mich auch einzuladen, um 1 Tag vor Arbeitsbeginn saemtliche Leute mal kennenzulernen. Nach ueppigem Buffet gings dann auf eine Pferderennbahn. Was fuer ein Spektakel.... Die Iren sind ja so wettverrueckt. Da verzockt echt jeder sein Erspartes oder die Sozialhilfe. Da lass ich mich doch nicht Lumpen: Nen Fuenfer auf "Zacharova" auf Sieg im ersten Rennen und schwupps, konnte ich mir mein Abendbrot (Steak im Brot fuer 9€ und ein Pint Millers fuer 5€) leisten. Vom Restgeld gleich noch 2 Mal gewettet und verloren. Das war ein Spass. Vor allem den Ernst in den Gesichtern der Wetter zu sehen, wenn die Pferde dem Ziel entgegen flogen. Bloss das Quer-durch-die-Stadt-nach-Hause-laufen war nicht mehr so witzig.
Heute war nun mein erster Arbeitstag. Neil (= IAESTE Irland) ist immer noch nicht da, so dass ich einen Brief von ihm fand, was ich schon alles tun solle. Gut, Tweedjacke und Lupe raus und gruendlich das Buero inspiziert. Sehr erleichtert war ich dann, als ich die Praktikantenliste fand und herausbekam, dass in ganz Irland dieses Jahr nur 25 Trainees, in Dublin nur 6 sein werden. Also nuescht mit Reiseleiter und Maedchen fuer alles fuer Hunderte von Studenten. Puh! Als erste Amtshandlung werd ich vielleicht uebers Wochenende gleich nach Galway fahren, da dort schon 3 Trainees sind und ausserdem Montag Feiertag ist. Mal sehen.

Ansonsten gehts mir gut. Ich mach in jeder freien Minute Extrem-Tourismus (jede Strasse angucken und Reisefuehrer waelzen), um so schnell wie moeglich Irland und Dublin kennenzulernen. Ausserdem versuche ich, irisches Englisch zu verstehen, was mir ungefaehr das Gefuehl gibt, als Auslaender im Fraenkischen oder Schwaebischen zu stranden. Dazu werde ich heute Abend wahrscheinlich eine Exkursion in die Habitate des gemeinen Iren unternehmen, die Pubs.....

Ich wuensch euch allen ne schoene Zeit und ich schreib bald mal wieder.

Carpe diem


Stefan